Der Cursor blinkt auf dem leeren Bildschirm, die Bücher stapeln sich auf dem Schreibtisch, aus den einzelnen Notizen will sich kein zusammenhängender Text fügen. Und eigentlich muss jetzt sowieso endlich mal die Studi-Bude aufgeräumt werden! Bettina Niebuhr, Mitarbeiterin der Zentralen Studienberatung und psychologischen Beratung (ZSPB) der Uni Hamburg, kennt alle Facetten des Hausarbeiten-Prokrastinierens. Und bietet mit Schreibwerkstatt und Schreibcoachings Unterstützung an.
Das Aufschieben wissenschaftlicher Arbeiten ist Niebuhrs Erfahrung nach das weiteste Feld für prokrastinierendes Verhalten im Studium. Dann und wann mal zum Eis essen ausbüchsen, obwohl der Abgabetermin näher rückt, ist zwar menschlich. Wer jedoch Bettina Niebuhrs Hilfe sucht, zieht schon lange keine Vorteile mehr aus der Aufschieberitis. „Denjenigen, die zu mir ins Schreibcoaching kommen, lastet ihr Verhalten wirklich auf der Seele. Sie erleben es als große Not“, berichtet sie.
Perfektionismus und Selbstzweifel
Bettina Niebuhr erlebt ganz unterschiedliche Vermeidungsstrategien. Manche Studierende haben viel gelesen, fangen jedoch nicht an zu schreiben. Andere überarbeiten ihre Texte so lange, dass gewissermaßen eine neue Hausarbeit entsteht. Und manche warten überhaupt auf eine Eingebung, um endlich anfangen zu können. Sie alle schlagen sich jedoch mit einem großen Thema herum: Perfektionismus und Selbstwert. „Das größte Problem ist für die meisten Studierenden, dass sie sich mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zeigen müssen, wenn sie die Hausarbeiten abgeben“, so Niebuhr. „Daran knüpfen sich oft Fragen wie bin ich gut genug, ist das ausreichend, was ich geschrieben habe, ist das überhaupt wissenschaftlich, was ich abgebe?“ Solche Zweifel führen beispielsweise dazu, dass die Studierenden ein eigentlich klar umrissenes Thema immer weiter ausdehnen. Niebuhr schildert die typischen Fragen, die dann in den Köpfen der Betroffenen kreisen: „Sind wirklich alle Aspekte berücksichtigt? Muss das Thema nicht noch mit rein? Und das andere muss ich doch eigentlich auch noch berücksichtigen!“ Aus der Sorge, alles gut und richtig zu machen, wächst die Hausarbeit so zu einem unübersichtlichen Gebirge an – und bleibt im schlechtesten Fall erst einmal ganz liegen.
Austausch statt Grübeln
In ihrer Arbeit mit den Studierenden geht es Bettina Niehbur vor allem darum, diesen Druck rauszunehmen. Dabei helfen zum einen Selbstreflexion und Austausch: „Ich frage Studierende, wann sie feststellen können, dass sie mit dem, was sie gemacht haben, zufrieden sind“, erläutert Niebuhr. Das Angebot der offenen Schreibwerkstatt beschreibt sie so: „Hier trifft man sich, um einfach zu schreiben, Fragen zu klären, Methoden auszutauschen und von Woche zu Woche weiterzumachen. Und wenn es nicht weitergeht, überlege ich mit den Betroffenen: Wie kannst du denn wenigstens hier in den zwei Stunden weitermachen?“ Dabei erlebt sie immer wieder Aha-Momente bei den Teilnehmenden. „Eine Studentin formulierte es so: „Ein Satz ist besser als kein Satz. Selbst wenn der totaler Nonsens ist, habe ich den erste Schritt gemacht“, erzählt Niebuhr. Auch von dem Austausch in den Pausen profitieren die Teilnehmenden. Schon die Erkenntnis „Ach, ich bin ja gar nicht allein damit!“ erleben viele als hilfreich. Neben der offenen Schreibwerkstatt finden Studierende der Uni Hamburg auch in Einzelcoachings Unterstützung zum Thema Schreiben.
Prokrastinieren oder Studienzweifel?
Immer wieder Hausarbeiten aufzuschieben kann durchaus Studienzweifel auslösen. Allerdings ist nicht jedes Schreib-Prokrastinieren ein Signal dafür, dass das Studium womöglich nicht der richtige Weg ist. Aber wann weisen Schreibtischflucht und Schreibvermeidung womöglich auf tieferliegende Studienzweifel hin? Darauf hat Bettina Niebuhr eine klare Antwort: „Problematisch wird es, wenn Studierende merken, dass sie das Fach gar nicht mehr interessiert oder mit anderen Erwartungen an das Fach gegangen sind. Wenn sie merken, dass sie zu Themen schreiben müssen, die nichts mit ihren Interessen zu tun haben, dann steht schon die Frage im Raum: „Ist das Studium überhaupt noch passend?“ Wie gut, dass in solchen Fällen ihre Kolleginnen und Kollegen von der ZSPB auch diese Frage mit Erfahrung und Empathie gemeinsam mit den Studierenden ausloten können.