Das Gespräch mit den Eltern gehört unter Umständen zu einem der schwierigsten Schritte, wenn Du Dich dafür entscheidest, Dein Studium abzubrechen. Wir haben bei Dipl.-Psych. Ronald Hoffmann, Leiter der Zentralen Studienberatung und Psychologischen Beratung der Universität Hamburg, nachgefragt, wie man diese Hürde am besten meistert.
Sollte ich meine Eltern schon bei meinen Zweifeln einweihen oder lieber erst, wenn schon geklärt ist, wie es weitergeht?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten, da hierbei viel von dem jeweiligen Kommunikationsstil in der Herkunftsfamilie abhängt. Man sollte sich überlegen, wie man denn in der Vergangenheit den Eltern „bittere Pillen“ verabreicht hat. Studierende kennen ihre Eltern üblicherweise circa 20 Jahre und können von daher meistens einschätzen, was zu tun ist. Wenn man sich absolut unsicher ist, kann man andere Menschen nach Hilfe fragen, das sind in diesem Fall vielleicht Geschwister, Großeltern oder enge Freunde der Familie – also Personen, die die Eltern gut einschätzen können.
Wie gehe ich das Gespräch mit meinen Eltern konkret an?
In der Regel hilft hier kein Gedruckse, sondern es ist Zeit für klare Worte. Ich sollte mir im Voraus allerdings Gedanken machen, was meine Eltern wohl sagen oder wie sie reagieren könnten. Dann habe ich die Zeit, mir zu überlegen, was ich dann tun könnte oder kann mögliche Einwände von vornherein aufgreifen und entkräften. Zusätzlich sollte ich mir über die Situation Gedanken machen, wann, wo und wie ich es mitteile. Auch hier wird eine Rolle spielen, wie in meiner Familie üblicherweise Dinge mitgeteilt werden – eher beiläufig oder in einer Art Konferenz.
Die Entscheidung ist gefallen: Ich möchte mein Studium abbrechen und eine Ausbildung starten. Meine Eltern werden mich allerdings für eine/n Versager/in halten, oder?
Warum sollten sie? Man kann doch ohne Hochschulabschluss ein gutes, glückliches und erfolgreiches Leben führen. Ich würde den jungen Menschen hier immer raten, ihre Eltern nicht zu unterschätzen, denn eigentlich möchten alle, dass es ihren Kindern gut geht. Wenn Eltern also den Weg über eine Universität als den Weg zum Glück verinnerlicht haben, kann es sicher ein wenig dauern, bis sie einen Ausstieg komplett akzeptieren. Wenn aber offensichtlich wird, dass der Weg über die duale Ausbildung der für den jungen Menschen richtige ist, sind Eltern unglaublich lernfähig. Wenn Eltern ab einem gewissen Punkt von sich aus anfangen zu recherchieren, weil sie sich über die Berufs- und Karrierechancen mit einer Ausbildung informieren möchten, kann das für sie sehr beruhigend sein. Bis dahin existiert halt ein gewisses „Anerkennungsvakuum“ zwischen Eltern und Kindern – kein komplett ungewöhnlicher Zustand.
Meine Eltern haben mich ins Studium gedrängt und mir den Studiengang aufgequatscht. Wie bringe ich ihnen bei, dass ihr Weg nicht der richtige für mich ist?
Wir erleben das eigentlich nicht mehr, dass Eltern so massiv in die Studienentscheidung junger Menschen eingreifen. Wenn das aber im Einzelfall so gewesen ist, gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zu dem vorher Gesagten, nur dass das „Anerkennungsvakuum“, von dem ich sprach, länger dauern kann. Übrigens ein klassisches Filmmotiv: Vater und Sohn seit langem entzweit in tiefem Unverständnis füreinander. Versöhnung erst kurz vor Filmende. James Dean, würde ich sagen. In der Realität sollten Studierende sich in einer solchen Situation wappnen, beispielsweise indem sie sich gute Unterstützung durch Freunde und Verwandte sichern.
Durch meinen Studienausstieg verlängert sich die Zeit, in der ich auf finanzielle Unterstützung angewiesen bin. Wie bringe ich meinen Eltern das bei?
Das Thema finanzielle Unterstützung ist natürlich ein wichtiges, über das gesprochen werden muss. Ich plädiere hier für hohe Sachlichkeit, damit „Geld“ nicht mit möglichen Emotionen wie zum Beispiel Enttäuschung oder Schuld vermengt wird. Es sollte maßgeblich darauf ankommen, um wieviel Zeit der Abbruch die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung verlängert und was diese Mehrkosten für Eltern bedeuten. Eine unerwartete Erhöhung der Ausbildungskosten könnte also dazu führen, dass der junge Mensch sich daran beteiligen sollte. Konkret bedeutet das, dass der Verdienst aus dem Studijob dann vielleicht nicht mehr ausschließlich für Freizeit und Urlaub verwendet werden kann, sondern anteilig mit in die Haushaltskasse fließt.
An wen kann ich mich wenden, wenn meine Eltern kein Verständnis haben und ich völlig verzweifelt bin? Findet man bei Ihnen Anlaufstellen für emotionale Notfälle?
Solange man an der UHH immatrikuliert ist, kann man sich an die Psychologische Beratungsstelle der Uni wenden.
Tipp: Die offene psychologische Sprechstunde findet jeden Mittwoch von 14.00 bis 15.00 Uhr im Campus-Center, Alsterterrasse 1, 3. Etage, statt.